Kirche, Auto nach Wiesen, Haus mit Licht, Haus an der Straße, Koppel, Apfelbaum
Frank Mädlers Folge Wiesen ist eine sensible Studie über die Annährung an die eigene Familiengeschichte, die zugleich Zeitgeschichte ist. In ihrem Zentrum steht der kleine, heute tschechische Ort Vižňov, ehemals Wiesen, im Winter. Die spezifische Stimmung, die von den baufälligen Gebäuden und der im Schnee versunkenen Landschaft ausgeht, wird durch die formal-ästhetischen Mittel von Anschnitt und Unschärfe herausgearbeitet. In teilweise eng gefassten Bildausschnitten treten Texturen und Farben miteinander in Beziehung: Die hellen, monochromen Flächen von Weiden oder Himmel kontrastieren mit den grafischen Strukturen eines Zauns oder den Zweigen eines Baums. Das matte Rot ungeernteter Äpfel oder das warm leuchtende, gelbe Licht in einem Haus sind farbige Akzente voller narrativer Bezüge. Die Unschärfe, in die Teile der Szenerie getaucht sind, lässt die Motive entrückt, wie aus einer anderen Zeit erscheinen. So verbindet sich die Bildsprache mit dem Sujet zu einer melancholisch-poetischen Einheit.
Der Ort Vižňov, den der Künstler 2009 auf einer Reise zufällig entdeckte, spiegelt für ihn in seiner winterlichen Atmosphäre wider, was er assoziativ mit den Erzählungen seines Vaters verband. Dieser ist aus einem kleinen Dorf in Böhmen gebürtig, wobei die Vertreibung 1945 in der Familie nie als Verlust thematisiert wurde. Frank Mädler selbst sagt über Wiesen: »Ein Ort in Tschechien, der früher deutsch war, heute tschechisch ist und Vižňov heißt, äußerlich 40 Jahre Sozialismus unbeeindruckt überstand. Der Ort macht mich melancholisch. In meiner Vorstellung kam ein Gefühl von alter Heimat auf. Vielleicht, weil die alten Geschichten meines Vaters, aus seiner Kindheit, in meiner Vorstellung sehr gut dahin passen.« So mag die Unschärfe der Fotografien Sinnbild dafür sein, dass die Vergangenheit als solche nicht greifbar, sondern nur aus räumlicher wie zeitlicher Distanz in ihren angedeuteten Konturen wahrnehmbar ist.